MainCraft Magazin 3-2013 - page 5

Die Wohnungsanzeige versprach eine sanierte Altbauwohnung mit gut erhaltenen
Kassettentüren, Dielenböden und teilweise Stuckdecken im 4. Obergeschoss eines
Wohnhauses aus der Gründerzeit. Noch dazu in zentraler Lage im Frankfurter Osten.
Was mit einer harmlosen Besichtigung im 4. Obergeschoss beginnt,
führt einige Zeit später zum Kauf des darüberliegenden Dachge-
schosses im Originalzustand – einem klapprigen, alten Dachboden
mit ein paar Gauben in der Größe von Schießscharten. Welcher Teu-
fel hatte den Bauherrn, den wir kurzerhand Herrn Meyer nennen,
geritten, einen staubigen Dachstuhl in Frankfurt zu erwerben? „Ein
traumhafter Ausblick über die Stadt“, erklärt Meyer begeistert. Das
Wohnhaus ist das höchste Gebäude in der Häuserzeile amÜbergang
vom Nordend zum Ostend und bietet vom Dachgeschoss aus einen
grandiosen Blick über die gesamte Stadt.
Aus unkonventionellen Ideen wird ein Bauantrag
„Die Wohnung im 4. Stock war leider schon vergeben und da habe
ich den Verkäufer gefragt, was er denn mit dem Dachgeschoss vor
hat“, so Meyer. Das Dachgeschoss liegt zu diesem Zeitpunkt noch im
Dornröschenschlaf und voller Schutt. Was existiert, ist die Geneh-
migung für den Ausbau zu einer Wohnung und eine Balkonanlage,
die im Zuge der Sanierung des Hauses ergänzt wurde und bereits bis
zur Höhe des Dachgeschosses reicht. Die Planung für den Ausbau
gefällt Herrn Meyer allerdings nicht und er möchte das Dachge-
schoss daher im Ist-Zustand erwerben, worauf sich der Verkäufer
zunächst nicht einlässt. „Es hat eine ganze Weile gedauert, bis er sich
wieder gemeldet hat. Ich hatte das Dachgeschoss fast schon aufgege-
ben, aber dann hat es eben doch geklappt“ berichtet Meyer. Eupho-
risch und nicht ahnend, was alles auf ihn zukommt, macht er sich
mit dem Architekten Markus Mehrfeld an die Planung. „Am An-
fang hatten wir die Vorstellung, die Gestaltung zur Straßenseite hin
sehr klassisch zu halten und auf der Seite zur Stadt, also der mit dem
tollen Ausblick, viel mit Glas zu machen“, erinnert sich Meyer. Nur
mit einigen Skizzen ausgestattet wird von Anfang an das Gespräch
mit der Bauaufsicht gesucht, um auszuloten, was genehmigungsfä-
hig ist und was nicht. Ein Vorgehen, das sich auszahlt, da die Erhal-
tungssatzung der Stadt Frankfurt, der Brandschutz und das Thema
Abstandsflächen der Planung enge Grenzen auferlegen. Die futuris-
tischen Ideen weichen im Zuge der Gespräche einer pragmatischen
Planung, die im wesentlichen aus der Schaffung einer zusätzlichen
Galerieebene, der Errichtung eines Zwerchgiebels bzw. Austritts auf
der Seite zur Stadt und deutlich größeren Gauben besteht. Durch
den Zwerchgiebel vergrößert sich zum einen die Fläche auf der
unteren Ebene und zum anderen erhält die Galerie zusätzlich eine
rund 18 qm große Dachterrasse. Das Zwischengeschoss erstreckt
sich allerdings nicht über die gesamte Wohnung, sondern lediglich
über zwei Drittel. Im hinteren Teil geht der Raum in einen Bereich
über, der vom Boden bis zum First rund fünf Meter misst und damit
ein phänomenales Raumerlebnis ermöglicht. Links und rechts vom
First sitzen Dachflächenfenster, die dafür sorgen, dass der Raum
von Licht durchflutet wird. „Unterm Dach kann im Gegensatz zur
Etagenwohnungen eine weitgehend freie Raumaufteilung vorge-
nommen werden, die nicht durch massive tragende Bauteile behin-
dert wird. Besteht dann noch die Möglichkeit, mit mehreren Ebenen
zu spielen, macht das die Wohnung zum „Haus auf dem Haus“, er-
läutert Architekt Mehrfeld das Konzept.
Ein neues Dach erhöht die Gestaltungsmöglichkeiten
Da es sich bei der vorhandenen Dachkonstruktion um ein unge-
dämmtes Dach handelt und die Balken keine zusätzliche Traglast
verkraften, entscheidet sich Meyer nach einer Begutachtung durch
Michael Schrock von der Firma Völker Dachdeckung & Holzbau
dafür, das Dach komplett abzubrechen und zu erneuern. Die Erneu-
erung bringt einen weiteren Vorteil: der Neigungswinkel des Daches
kann geringfügig verändert werden, zugunsten der Raumhöhe un-
terhalb der Galerie. Zusätzlich zum Dach werden ein stillgelegter
Kamin und mehrere Zwischenwände abgetragen.
„Holzständerwände sind leicht
und einfach zu errichten und
daher besonders gut für den
Dachausbau geeignet.“
Michael Schrock
Völker Bedachungen
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